02
Analyse Ist-Zustand

 
 

Kapitel 1
Was macht St.Gallen aus?


Kapitel 2

Grünbestand



Kapitel 3

Analyse Biodiversität



Kapitel 4
Wie grün ist St. Gallen wirklich?

 

Ein Blick in die Vergangenheit und in die Zukunft

Die Zustandsanalyse 2021 zeigt die konkrete Situation St. Gallens hinsichtlich der globalen Herausforderung von Klimawandel und Biodiversitätsverlust.

Der Blick in die Vergangenheit erklärt die Besonderheiten der Stadt und erlaubt ein neutraleres Verständnis der heutigen Situation. Die übergeordneten Themen Landschaft, Topografie, Stadtgeschichte, Bebauung, Klima, Biodiversität und Tierwelt werden global analysiert. Sie erlauben eine stadtweite Gesamtbeurteilung der Lage und Formulierung von 14 Massnahmen.

Thematische, vertiefte Analysen wie z.B. die Baumanalyse werden in den Massnahmenkapiteln (z.B. Kapitel 4, M1 Bäume) vorgestellt.



 

Geformt vom Gletscher

 
 

Wo vor langer Zeit ein Gletscher den letzten Alpenausläufer schliff.

Entlang der Talsohle St. Gallen erstreckt sich heute ein langes Siedlungsband. Das Hochtal der Steinach liegt auf 660 m ü.M. parallel zum Alpstein und ist das letzte einer ganzen Reihe solcher Paralleltäler, die wellenartig Richtung Bodensee verebben.

Geologisch gesehen ist St. Gallen dadurch zweigeteilt: Während die südliche Flanke noch auf Alpgestein gründet, sind die nördliche Flanke und die Hügel des Mittellands weitestgehend weich. Das Stadtgebiet wird durch Topografie und landschaftliche Zäsuren limitiert. Die starke Bewaldung entlang der tief einschneidenden Gräben Sittertobel, Wattbachtobel, Martinstobel und Galgentobel definieren die Siedlungsgrenzen und gewähren bei deren Einhaltung ein dauerhaft kompaktes Siedlungsbild.

Die Untersuchung der geomorphologischen Karten und die Rekonstruktion der landschaftlichen Situation zur Eiszeit beantwortet städtebauliche Fragen des heutigen Schwarzplans. Durch topografische Gegebenheiten sind ehemalige Dörfer dem Hochtal entlang zusammengewachsen. Die früheren Feuchtgebiete wurden trockengelegt und Bäche eingedolt. Landschaftliche Zäsuren grenzen das Stadtgebiet ein. Gegen Süden haben sich durch topografische Gegebenheiten Siedlungstentakel ausgebildet. Die Erschliessung der besiedelten Hügelflanken nach Norden und Süden macht St. Gallen zur Treppenstadt. Die Verbindung wird jedoch durch die Bahngleise auf der gesamten Stadtlänge zerschnitten.

Geomorphologische Karte, Oskar Keller: Eiszeitliche Seen im Hochtal von St. Gallen

So könnte St. Gallen einmal ausgesehen haben.

Gletscher vor 20’000 Jahren (Visualisierung: GSI Architekten)

Mammutsteppe nach dem Gletscher. Eine Hochebene, wie die Greinaebene, reich an Kräutern. (Visualisierung: GSI Architekten)

Waldtal um 900 n.Chr.: So hat Gallus wohl St. Gallen vorgefunden. (Visualisierung: GSI Architekten)

Heutiges St. Gallen (3D Stadtmodell: Leica Hexagon, Bearbeitung Büro Sequenz)

 

Merkmale der Stadt

 
 

Autobahn und Bahn zerschneiden die Stadt.

Eine grosse Herausforderung für St. Gallen ist die lange, schmale Kontur entlang des Tals. Durch diese Form entstand eine eindrückliche Zweiteilung durch Bahn und Autobahn. Die Längszerschneidung führt im Osten und Westen zu schmalen, räumlich isolierten Tranchen.

Möchte man diese Stadtteile entwickeln und verdichten, müssen die Siedlungsfragmente durch neue Querbezüge verbunden werden. Nur der Abschnitt zwischen Blumenbergplatz und OLMA-Areal ist von Hang zu Hang zusammenhängend. «Grünes Gallustal» zeigt ein Konzept auf, wie die ungenügende Quervernetzung durch ein überspannendes Freiraumnetz gelöst werden kann. Zur Stadtreparatur und Raumvernetzung müssten die Autobahn und deren Einfahrten an mehreren Stellen überdacht werden. Zur Überquerung der Bahntrasse braucht es neue Stege.

Treppenstadt

St. Gallen zählt mit rund 13’000 Stufen auf über 120 Treppenläufen zu den treppenreichsten Städten Europas. Diese bilden die Grundstruktur für eine Quervernetzung und bergen ein grosses Potenzial für ein dichtes Wegnetz.

Schafft man es, Querzüge mit Begleitgrün auszubilden, kann man beide Hügel über die Talsohle miteinander verbinden. Bei Bruggen und Haggen bilden allerdings unüberwindbare Bahntrassen und breite Industriestreifen bis zu 960 Meter breite Barrieren. Diese gilt es zu überwinden. Im Städteranking von Avenir Suisse (2018) belegt St. Gallen unter Indikator 4.6 «Erreichbarkeit von Dienstleistungen» Platz 7. Im Kontext Vernetzung erreicht St. Gallen nach Indikator 5.6 «Velofreundlichkeit» auch nur den 7. Platz. Es lohnt sich also zu investieren: Die Grundlagen und Potenziale dafür sind vorhanden.

Stadt in der Landschaft

Die städtebaulichen Situationen verändern sich mit dem lebendigen An- und Abschwellen der Bebauung in Bezug zur landschaftlichen Prägung von Osten nach Westen erheblich.

Die Wasserscheide Kreuzbleiche steckt den westlichen Sitter-Bereich und den östlichen Steinach-Bereich ab. Letzterer ist geprägt durch die Hang-Tal-Beziehung und der dadurch entstehenden landschaftlichen Enge. Hier weitet sich die Siedlung zweisträngig aus und stellt dennoch – der Topografie verdankend – keinen sicht- oder spürbaren Bezug zu den Nachbargemeinden her. Der Sitter-Bereich ist einsträngig verengt, aber breiig besiedelt in einer landschaftlichen Weite. Er ermöglicht durch diese topografische Öffnung einen praktisch übergangslosen Anschluss an die Bebauungen der Nachbargemeinden Gossau oder Abtwil.

Kunsthistoriker und Stadtplaner Edgar Heilig beschreibt die räumlichen und landschaftlichen Gegebenheiten St. Gallens als Leit- und Entwicklungsmotiv für die Stadt: Das Stadtgebiet wird durch Topografie und landschaftliche Zäsuren limitiert. Die starke Bewaldung entlang der tief einschneidenden Gräben Sittertobel, Wattbachtobel, Martinstobel und Galgentobel definiert die Siedlungsgrenzen. Werden sie eingehalten, bleibt dauerhaft ein kompaktes Siedlungsbild bestehen. Ein Überschreiten dieser Grenzen wäre nur mit hohen Verlusten im Stadt- und Landschaftsbild möglich und ökologisch nicht sinnvoll.

Siedlungstentakel zwischen den Hügeln

Im Gegensatz zu Rotmonten, das mit der Hauptsiedlung der Talsohle klar zusammenhängt, scheinen die Verbindungen der Siedlungstentakel Notkersegg, Riethüsli und St. Georgen vage.

Durch eine Stärkung der Strukturen und Verbindungen zwischen Tentakel und Hauptsiedlung über Grünräume wären die Quartiere besser eingebunden und das Stadtbild nachhaltig kompakter. Ein ständiger Bezug zur Landschaft ist im gesamten Stadtgebiet zu gewährleisten, da die Landschaft inmitten der immer schneller wechselnden Bedürfnisse und Anforderungen an unsere Umgebung eine Konstante darstellt.

Von der Lage der Stadt am Wasser ist – trotz der wichtigen historischen Bedeutung der Steinach – durch die Eindolung und Überbauung kaum mehr etwas zu spüren. Die breiteste Stelle der Stadt präsentiert sich in Rotmonten, wo St. Gallen das grösste Siedlungswachstum verzeichnet. Dieses fand erst mit dem Volksnein zur Einzonung des Waltramsberg 2012 ein Ende. In Rotmonten schwappt die Besiedlung bereits über die Krete, während sich das Riethüsli und St. Georgen wie Tentakel vom Hauptkörper abspreizen. Auch die Notkersegg ist ohne Verbindung zur Stadt und wächst mit einer neuen Überbauung noch weiter in den Landschaftsraum hinein.

 

Wachsender Fussabruck, schwindende Grünstruktur

 
 

Konstante Bevölkerung, verdoppelter Gebäudefussabruck

Es gab die politischen Gemeinden Tablat und Straubenzell mit den Dörfern St. Fiden und St. Georgen einerseits, Bruggen und einige Weiler andererseits. Die Dörfer Tablat, St. Georgen und Straubenzell wuchsen allmählich mit der Alt- und Innenstadt zum heutigen Schwarzplan zusammen.

In der Planreihe lässt sich dieser Vorgang rekonstruieren. Während der Gebäudefussabdruck immer weiter wächst, pendelt sich die Einwohnerzahl der ständigen Wohnbevölkerung ein. Zwischen 1910 mit 75’482 Einwohnern und 2010 mit 76’528 Einwohnern wuchs die mit Gebäuden bedeckte Fläche um mehr als das Doppelte (ASS St. Gallen).

  • 1889 - 1901: grosses Wachstum am westlichen Rosenberg, Ausweitung der Innenstadt nach Osten bis St. Fiden und nach Westen bis Kreuzbleiche.

  • 1905 - 1911: deutliche Verdichtung in Lachen, Bruggen und entlang der Langgasse, Entstehung der Siedlung Waldgut hinter der Krete.

• 1911 - 1928: Entstehung der Eisenbahnersiedlung in Schoren.

• 1957 - 1978: Entstehung der grossen Industriegebäude Winkeln, sowie Siedlung Notkersegg

• Ab 1960: Umstrukturierung des OLMA-Areals

• 1960 - 1971: Bau der HSG am Rosenberg

• 1971 - 1989: Bau der Autobahn

• 1971 - 1996: Bau des Industriegebiets Hecktacker

• 1983 - 1989: Bau des Industriegebiets Moos

• 2002 - 2008: Bau von Arena und IKEA

• 2008 - 2020: Bau von Wohnsiedlungen in Bruggen, Haggen, Dreilindenhang, Rosenberg, Winkeln und Neudorf und Nachverdichtungen stadtweit

Schwindende Grünstrukturen

Die Streuobstwiese auf dem Openair-Areal und die dichten Alleen entlang vieler Strassen am Rosenberg stammen aus der Vergangenheit. Heute müssen Grünstrukturen für extremes Wachstum an den Siedlungsrändern weichen. Seit 1946 sind viele neue Siedlungen entstanden, darunter Bruggen, Wolfganghof, Tablat, Zil, Bruggwald. Der Bildweiher lag einst im Landschaftsraum und ist nun umzingelt von Bausubstanz.

 

VISUALISIERUNG STEINGRÜEBLI 2010 ⬤ STEINGRÜEBLI HEUTE

 

VISUALISIERUNG BIRNBÄUMEN 2021 ⬤ BIRNBÄUMEN HEUTE

 

Gewässeranalyse

 
 

Verbannung der Gewässer aus dem Stadtraum

Im Zuberplan von 1828 zeigt sich eine deutliche Präsenz der Steinach im Stadtzentrum. Weitere Gewässer, die – wie die Drei Weieren und der Kreuzbleichekanal – künstlich angelegt wurden, sind auf die Stickerei-Industrie zurückzuführen.

Die Goliathgasse wurde früher im Volksmund «Hoppsgermoos» genannt, weil die feucht-schattige Mooslandschaft offensichtlich amphibienfreundlich war. Die historischen Gewässerkarten zeigen, dass zwischen 1863 und 1880 ein erstes grosses Stück der Steinach im Siedlungsraum eingedolt wurde. Bis 2020 verschwanden nicht nur ein Grossteil der Steinach, sondern auch viele andere, ehemals offene Gewässer aus dem Siedlungsraum, um Bebauungen und Strassen zu weichen. Teilweise wurden Bäche irreversibel stillgelegt und gelten als verloren.

Zuberplan über Stadtplan gehalten ermöglicht eine geografische Einordnung

Kein Lebensraum ist derart bedroht wie Bäche, Flüsse, Moore und Feuchtwiesen. Das belegen die Biodiversitätskurven für diese Lebensraumtypen eindrücklich. Ein Aufwärtstrend ist bislang nicht auszumachen. Das ist ein grosses Problem. Denn die Artenvielfalt in Gewässern ist markant höher als in anderen Lebensräumen. Wenn Bäche und Tümpel verschwinden, verlieren wir überdurchschnittlich viele Tier- und Pflanzenarten. Dass der Artenschwund im Wasser rund fünf mal höher ist als an Land, gibt zu denken und ermahnt zum besonders sorgsamen Umgang mit dem aquatischen Lebensraum. Andererseits dürften wir davon ausgehen, dass mit der Wiederherstellung von Lebensräumen an Gewässern (z.B. Revitalisierungen, Ausdolungen, Anlage von Feuchtwiesen, Moorregenerationen, etc.) besonders effektive Artenförderung betrieben wird.

 

Gewässerplan Stadt St. Gallen 2020

 

Gewässerentwicklung in der Stadt

Die Stadt St. Gallen hat ein Gewässerentwicklungskonzept ausgearbeitet, das rund 15 Laufkilometer Bachfreilegungen vorsieht. Diese sind in drei Prioritäten nach Bachöffnungs- und Aufwertungspotenzial kategorisiert.

Wichtige naturnahe Gewässer sind die Sitter und die Goldach. Insbesondere die Sitter hat grossen Aufwertungsbedarf. Uferverbauungen begrenzen die Seitenerosion und Lebensraumdynamik, Querbauwerke limitieren die Durchgängigkeit für Wasserlebewesen. Diese Aspekte fehlen im Gewässerentwicklungskonzept noch.

Quermöglichkeiten über Gewässer

Von kleinen Stegen über Bäche bis hin zu imposanten Sitterviadukten: Die Brücken sind für St. Gallen ein wichtiges Motiv. Allein der Sitter-Brückenweg zählt 18 Bauwerke. Mit der kommenden Freilegung von Gewässern werden neue Brücken zum Thema. Die Suche nach einem einfachen, eleganten Design für die vielen kleinen Stege sollte schon heute beginnen.

 

Der Hängesteg im Rechen (1882) ist ein eleganter Zeitzeuge der Ingenieurskunst des 19. Jahrhunderts.

 

Baumanalyse

 
 

Habitatbäume im Stadtraum

Baum-Mikrohabitate sind wichtige Refugien, Brut-, Überwinterungs- oder Nahrungsplätze. Jede Art lebt vorzugsweise in einem ganz bestimmten Baum-Mikrohabitat.

Die Mulmhöhle ist eines der seltensten Baum-Mikrohabitate in Wirtschaftswäldern, unerlässlich für gewisse spezialisierte Käferarten. Die Biodiversität nimmt mit der Anzahl der Mikrohabitatstypen zu. Nur die dicksten, ältesten Bäume tragen viele Mikrohabitate. Der ökologische Wert eines Baumes nimmt mit steigendem Alter und Durchmesser deshalb exponentiell zu. Wird ein alter Baum gefällt, braucht es Jahrzehnte oder sogar Jahrhunderte, um ihn gleichwertig zu ersetzen.

Wie lange die Entwicklung von Mikrohabitaten dauert, oder wie lange ein Habitat für ein Lebewesen nutzbar ist, ist – wie die Baum-Mikrohabitate selbst – sehr variabel. Auf Englisch zu Recht als vergängliche Ressourcen («ephemeral resource patches») bezeichnet, müssen beim Schwinden eines Habitats die damit verknüpften Organismen zwingend ein ähnliches Habitat in einer für sie erreichbaren Umgebung finden, um zu überleben.

Karte Baumschutzzone

Die Entwicklungsrate von Baum-Mikrohabitaten (BHM) in den gemischten Naturwäldern der Pyrenäen ist etwa doppelt so hoch wie auf Weisstannen. Die Entstehungsrate liegt zwischen 0,82 BMH/ha im Jahr auf Buchen und 0,51 BMH/ha im Jahr auf Tannen. Angesichts dieser niedrigen Entstehungsraten dauert es etwa 100 Jahre, bis ein derzeit genutzter Waldbestand alle im Naturwald potenziell vorhandenen Habitate ausbildet.

Umso wichtiger ist es, bereits heute Habitatbäume zu erkennen und zu erhalten und die Entstehung zukünftiger zu fördern. Je grösser die Habitatbaumdichte ist, desto besser wird die damit verbundene Artenvielfalt gefördert. Nicht mobile, stark spezialisierte Arten benötigen ausserdem eine höhere Habitatbaumdichte als mobile Arten mit geringen Ansprüchen an den Lebensraum. Insbesondere in Wirtschaftswäldern werden mehr Altholzinseln und Habitatbäume benötigt, um die Lebensraumdefizite für Organismen zu mindern, die von Baum-Mikrohabitaten abhängen (Eidg. Forschungsanstalt WSL, n.d.).

Geschützte Bäume und Baumzonen

Nur vereinzelte Gebiete der Stadt St. Gallen liegen gemäss Zonenplan im Baumschutzgebiet. Für Bäume mit mehr als 80 Zentimeter Stammumfang wird eine Fällbewilligung benötigt. Künftig soll das Baumschutzgebiet weiter gefasst werden, um auch den Klimaveränderungen gerecht zu werden. Der Baumschutz ist aber nicht absolut. Im Zuge der Verdichtung werden jedes Jahr zahlreiche Bäume gefällt, auch aus Sicherheitsgründen.

Der Rosenberg beispielsweise verändert sein Gesicht und verliert zusehends seine Parkstruktur zugunsten von Tiefgaragen und Neubauten. Die 157 Habitatbäume sind im Verhältnis zum Siedlungsgebiet von 39,4 Quadratkilometern eine dürftige Zahl und müssen dringend vervielfacht werden. Geeignete Standorte müssen festgelegt werden, um den Bäumen ein langes Leben zu sichern. Neupflanzungen müssen frühzeitig angegangen werden.

Wälder ohne Waldsaum

Es gibt in St. Gallen wenige naturnahe Waldränder. Diese beginnen mit Krautsaum im Kulturland, sind zunehmend mit Sträuchern durchsetzt und enden im gewachsenen Baumbestand. Geschwungene und gebuchtete Waldränder schaffen zusätzliche Lebensräume. Umso mehr, wenn diese in der Höhe abgestuften Waldsäume artenreich und breit angelegt sind.

Wildtiere, Insekten, Kleinsäuger, Vögel und Reptilien finden bei hoher Pflanzendiversität im Krautsaum beste Bedingungen. Die Lebensraumbedingungen in einem natürlichen Waldrand sind extrem vielfältig. Sie sind die Grundlage für die hohe Biodiversität in diesem Übergangsbereich. Diese Flächen sind auch für die Landwirtschaft nicht verloren. Dank der hohen Nützlingsdichte im naturnahen Waldrand kann die Schädlingskontrolle im extensiv landwirtschaftlich bewirtschafteten Umland biologisch erfolgen.

Naturnahe Wäldränder reduzieren zudem das Schadenspotenzial, weil sie starke Winde und Sturmböen abbremsen und ablenken können, im Gegensatz zu schnurgeraden Waldrändern ohne abgestuften Waldrand, bestehend aus Fichten im selben Alter. Ein 3 bis 10 Meter breiter und 2 bis 6 Meter hoher Saum aus Strauchwerk verhindert Windschneisen durch Luftverwirbelungen und schützt die Stämme vor Sonnenbrand. Biologisch besonders wertvoll ist Sukzession im Waldinneren. Bäume dürfen altern und zerfallen, ohne dass der Mensch eingreift. Altholz ist in unseren Wäldern rar, jedoch für totholzbewohnende Insekten und Vögel unverzichtbar. Auch der Feuersalamander versteckt sich gerne unter feuchtem Altholz. Es braucht das gesamte Mosaik an Lebensraumtypen und das Zulassen von Dynamik, damit Lebensgemeinschaften entstehen, die artenreich und deshalb resilient sind. Von natürlicher Walddynamik profitieren sämtliche Spechtarten. Wo zum Beispiel der Schwarzspecht brütet, ist es mit dem Totholzanteil nicht so schlecht bestellt.

 

Harte Waldkante am westlichen Berneggwald

Waldkarte Stadt St. Gallen 2020

 

Bebauungsanalyse

 
 

Gartenstadt, Talstadt und Altstadt

Für Verdichtungsfragen ist die Betrachtung der Bautypologien von grosser Bedeutung. «Grünes Gallustal» fügt dem Zusammenspiel von Bauten und Freiraum die Befestigung durch Strassen hinzu. Die Raumwirkung, das Freiraum- und Ökopotenzial wird so erst sichtbar.

Das Leitbild unterscheidet drei Bebauungszonen und nennt sie zur Vereinfachung Gartenstadt, Altstadt und Talstadt, auch wenn dies einer starken Abstraktion entspricht. Doch je einfacher die Ordnungsgrundsätze und die Lesart sind, desto klarer kann ein Konzept entwickelt werden, in dem auch Ausnahmen Platz haben.

 
 

Gartenstadt — Schemapläne an Hang und Flächen

  • Offene und halboffene Bauweise

  • Punktbebauung umgeben von Grünraum

  • Platziert an den Hanglagen Rosenberg und Freudenberg

  • Die äusseren Siedlungen Osten und Westen, sowie die Siedlungstentakel St. Georgen, Riethüsli und Notkersegg

Gartenstadt — Schemaplan

Altstadt — Schemaplan Altstadtkern

  • Grüner Ring um die Altstadt

  • Altstadtplätze

  • Klosterbezirk

Talstadt — Schemapläne Talachse

  • Bockrand bei der Innenstadt Ost, z.B. Linsebühl

  • Bockrand bei der Innenstadt West, z.B. Schibenertor

  • Stadterweiterungen in geschlossener und halboffener Bauweise

  • Grünraum geometrisch in die Stadtstruktur eingegliedert, z.B. Alleen und Hofbegrünungen

  • Grünraum landschaftlich und zentral

 

Klimaanalyse

 
 

Versiegelungsgrad und Hitze

In den letzten 35 Jahren sind die Temperaturen in St. Gallen um 2 bis 3 Grad angestiegen. Das sind fast 1 Grad pro Jahrzehnt. Im Vergleich zum Umland ist die Stadt im gleichen Zeitraum noch heisser geworden, nämlich 4 bis 6 Grad.

Die gesundheitsbelastenden Hitzetage und Tropennächte haben sich mehr als verdoppelt. Der Temperaturunterschied von Hügellage und Tallage ist gross. Im Sommer 2019 erlebte die Stadt 13 Hitzetage (>30°C) und die Notkersegg 6 Hitzetage. Im Tagesdurchschnitt ist es auf Notkersegg 2 bis 3 Grad kühler als im Talboden. St. Gallen weist zwar nicht so viele Tropennächte auf wie Zürich oder Basel. Die Vergleiche sind jedoch nur bedingt gültig, da St. Gallen nur eine mittelgrosse Stadt ist. Dass sie schneller auskühlt als die grösseren Städte, ist auch auf die geografische Höhe zurückzuführen. Dennoch dürften mit Blick auf den sehr hohen Versiegelungsgrad in der Stadt die Hitzetage in den nächsten 20 Jahren um durchschnittlich 2 Grad heisser werden.

Eine physiologische Analysekarte des kantonalen Amtes für Umwelt ermittelt den Versiegelungsgrad pro Hektare und weist wahrscheinliche Hitzeinseln aus. Im Grundsatz gilt: Je höher der Versiegelungsgrad und je weniger Bäume, desto heisser das Gebiet. Insbesondere entlang der Talsohle finden sich sogenannte Hitzeinseln (Hitzekarte, Modellberechnung ohne Abstrahlung von Fassaden oder Kühlung durch allfällige Bäume). Viele sogenannte Hitzeinseln sind dort lokalisiert, wo der Boden am stärksten versiegelt ist (Karte Oberflächenversiegelung). Ganze 26 Prozent der Gemeindefläche sind versiegelt (=10,23 km2 ).

Die heisser werdenden Stadtzentren werden von Menschen an Sommertagen künftig wohl nicht aufgesucht werden. Auch die Bäume werden kämpfen müssen: mit Hitze und Wasserknappheit, da versiegelte Flächen kein Wasser speichern. Bei Starkregen verschärft eine hohe Versieglung die Gefahrensituation. Stark versiegelte Flächen decken sich auch mit den Gefahrenkarten (Gefährdungskarte Oberflächenabfluss). Entsiegelung, Baumpflanzungen und die Ausdolung von Gewässern sind integrale Lösungsansätze.

 
 
 
 

Sozialraumanalyse

 
 

Freiraum- und Spielplatzdefizite

Der «Lebensraum Stadt» dient in erster Linie den Stadtbewohner/innen. Diese haben das Bedürfnis nach schnell erreichbarem, grünem Aussenraum. Bei Kindern ist dieses Bedürfnis stark ausgeprägt. Aus diesem Grund untersucht die Sozialraumanalyse als wichtigsten Punkt die Spielplatzversorgung im Siedlungsgebiet.

Ein Radius von 50 Metern (Luftlinie) gilt für Kinder als «selbständig erreichbar». Alle Kinder, die weiter entfernt wohnen, zählen als ungenügend versorgt und nutzen einen Platz deutlich weniger. Laut Studien steigen die Zahlen von übergewichtigen Kindern, je weiter der Freiraum von ihrem Wohnort entfernt liegt, so Neuropädiater Markus Weissert.

Das Defizit ist gemäss Untersuchung von «Grünes Gallustal» hoch (siehe dazu graue Bereiche auf der Karte Squares). Ein Bruchteil des Siedlungsgebiets ist mit Spielplätzen gut versorgt, der Grossteil ist vom Spielplatzdefizit betroffen und gilt als wenig familienfreundlich. So wie die Familiengartenanlagen in vielen Stadtteilen verteilt sind, sollen auch solche Plätze und Treffpunkte in Quartieren neu geschaffen werden. Die bestehenden Freiraumverbindungen sind oft unterbrochen, obwohl das Potenzial zu einem engmaschigen Verbindungsnetz vorhanden wäre.

 

Schemaplan Bestand Squares grün=öffentlich, blau=halbprivat/privat.
Die Gebiete, die nicht mit einem Radiusfeld überlappen, sind Defizitzonen.

 
 

Quartierbezogene grüne Freiräume

Im Folgenden werden die quartierbezogenen Freiräume an Beispielen von Quartieren aus der Talachse analysiert. Sie definieren sich durch ihr Angrenzen an ein Quartier und durch ihre Funktionalität und Ausstattung mit Grillstellen, Tischen, Bänken und Spielmöglichkeiten sowie der Hauptnutzung durch die direkten Anwohnerinnen und Anwohner.

Der Grünkorridor (orange) zählt nicht zu den quartierbezogenen Freiräumen, da es sich um einen landschaftlichen Stadtpark handelt und von der gesamten Bevölkerung genutzt wird. Deshalb gelten der Stadtpark, der Klostergarten und die Kreuzbleiche nicht als quartierbezogene Freiräume.

Diese Grafik soll aufzeigen, in welchem Verhältnis die Gebäudefläche, die Fläche aller Strassen und die quartierbezogenen Freiräume mit der Gesamtfläche des Quartiers stehen. Zusätzlich wird bei den Freiräumen in grüne öffentliche (grün) und grüne halböffentliche (hellgrün) Freiräume unterteilt.

Bei der Berechnung sind die öffentlichen Freiräume zu 100 Prozent und die halböffentlichen zu 50 Prozent angerechnet worden. Die restlichen Flächen sind als private Freiräume definiert.

Zwei Beispiele mit grossen Unterschieden

 

Vernetzungsanalyse

 
 

Zentren und Erreichbarkeit

Die Zerschneidung des Stadtkörpers durch Bahn, Autobahn, intensiv befahrene Hauptstrassen und lange Industriestreifen verunmöglicht eine Nord-Süd-Verbindung für Mensch und die meisten Tiere.

Die Wege zwischen Arbeit und Wohnen müssten kurz gehalten und der öffentliche Verkehr ausgebaut werden, um Lärm und Feinstaubemissionen zu mindern. St. Gallen verfügt zwar über fünf Bahnhöfe, in denen Potenzial schlummert, die aber mit Ausnahme des Hauptbahnhofs alle unterentwickelt sind. Betriebe, die auf PKW und LKW angewiesen sind, sollten sich autobahnnah situieren, statt in Stadtnähe. Der Ausbau von Wegen für Fussgänger/innen und Velorouten in Quer- und Längsrichtung ist von grosser Bedeutung.

Die Verschiebung der Dienstleistungsbetriebe an die Stadtränder ohne gut gelegene ÖV-Anbindung führen zu zusätzlichem Verkehrsaufkommen und schlechterer Umweltqualität. An Verkehrshauptachsen wie der Langgasse ist das Problem besonders gravierend. Die Messwerte zeigen, dass – unabhängig von sozialem Status – die Bewohner/innen an der Langgasse statistisch gesehen eine geringere Lebenswartung haben als Bewohner/innen in einem durchgrünten Quartier.

 

VERNETZUNG HEUTE ⬤ VERNETZUNG ZUKUNFT

 
 

Velowege

Das aktuelle Netz weist noch zahlreiche Lücken und Kompromisse auf. Dichter Verkehr, Staus und Rotlichter sowie Rechtsvortritte, spielende Kinder und manövrierende Autos hindern die zunehmend motorisierten Velofahrenden an einem bequemen und raschen Vorwärtskommen. Daher setzt die Stadt künftig auf zwei neue Klassen von Velowegen:

  • Velostrassen sind umklassierte, speziell signalisierte Quartierstrassen. Zwar herrscht hier weiterhin das Mischverkehrsprinzip. Die Strasse ist jedoch gegenüber Querstrassen vortrittsberechtigt. Velostrassen dürfen nicht durch Begegnungszonen führen.

  • Veloschnellrouten, auch Velobahnen genannt, sind Strassen exklusiv für Velofahrende, welche eine durchgehende Geschwindigkeit von 30 km/h sowie Überholen ermöglichen. Für den Fussverkehr braucht es ein Trottoir.

  • Im geplanten Netz finden sich auch kombinierte Velo-Gehwege. Solche werden jedoch von beiden Gruppen wenig geschätzt.

Fusswege

Das heutige Fusswegnetz erstreckt sich über die ganze Stadt. Markant ist die Fussweg-Dichte im Osten und im Zentrum und die Fussweg-Armut im Westen.

Bei Bruggen und Haggen bilden unüberwindbare Bahntrassen und Industriestreifen bis zu 960 Meter breite Barrieren. Diese gilt es zu überwinden. 120 Treppen erschliessen die Hänge. Mit rund 13’000 Stufen über 120 Treppenläufe zählt St. Gallen zu den treppenreichsten Städten Europas. Diese bilden die Grundstruktur für eine Quervernetzung der Stadt und bergen ein grosses Potenzial für ein dichtes Wegnetz. Die Lücken der Querzüge müssen nur noch punktuell geschlossen werden, dann funktioniert der Hügel-zu-Hügelbezug über die ganze Stadt.

 

 
 

02
Analyse Ist-Zustand

 
 

Grünbestand in Citylage

Auch in St. Gallen wird zunehmend grün gedacht. Mit der jährlichen Veranstaltungsreihe «Natur findet Stadt» werden Themen rund um Biodiversität, Stadt- und Gartennatur für die St. Galler Bevölkerung zugänglich gemacht und tragen zum breiten Naturbewusstsein bei.

Auch auf öffentlichen Flächen wird es grüner. Einige Schulen, von der Unterstufe bis zur Universität, werten mit eigenen Projekten Flächen auf. Blumenwiesen, artenreiche Hecken und Ruderalflächen sollen einen hohen Nutzen für die Biodiversität bringen. Eine Bilderreihe hält den St. Galler Grünbestand im Sommer 2020 fest. Die Fotoreihe und Beschriebe erfassen die Grünbestände nicht vollständig, sondern greifen exemplarisch Themen auf und vermitteln Eindrücke.

 

 
 

DIE HIGHLIGHTS

Wechselflor von Winkeln bis Neudorf

Die Bepflanzung mit saisonalem Wechselflor ist eines von vier Grundmustern, auf denen das Pflanzkonzept der Stadt basiert. Die anderen drei gliedern sich grob in Flächen, auf denen einjährige Blumeneinsaaten zum Einsatz kommen. Das sind Standorte, die mit der sogenannten «Silbersommer»-Mischung bepflanzt werden. Dieses Pflanzsystem wurde von der Fachhochschule Wädenswil entwickelt. Der Leitgedanke ist in allen Fällen, die Biodiversität zu erhöhen und die Bevölkerung für die Schönheit der einheimischen Flora zu sensibilisieren.

Der «Silbersommer», der als Verkehrsbegleitgrün zum Beispiel den Verkehrsteiler Heiligkreuz, die Kesselhaldenstrasse, den Unteren Graben und die Teufener Strasse aufwertet, zeichnet sich dadurch aus, dass die Pflanzenmischung das ganze Jahr über eine attraktive Blütenpracht entwickelt – und dies oft auf kleinstem Raum. Im Herbst kontrastieren etwa filigrane Gräser mit den rotbraunen Blütentellern der Fetthenne. Auch im Winter muss mit den markanten Samenständen nicht auf optische Blickfänge verzichtet werden.

Mischstaudenpflanzungen haben die längste Lebensdauer. Die Pflanzen werden nach dem Kriterium der Standortgerechtigkeit ausgewählt – sonnig-trocken, halbschattig oder schattig-feucht, je nachdem, ob sie auf Freiflächen, im Gehölz oder einem Beet eingesetzt werden.

 

Wechselfloor im Signerpärkli

Wall mit Wechselfloor im Rosenpärkli

Wechselflor beim Gauklerbrunnen: Zwischen Fenchel, Schafgarbe und Basilikum flattern die Schmetterlinge.

Vielfalt im St. Leonhardspärkli

 

Baumscheiben und Rabatten – Verkehrsinseln, Alleen, Platzbegrünung

Unterpflanzungen sind für einen Baum lebensnotwendig. Die Grünflächen sind dabei nicht nur optisch schön anzusehen, sondern halten den Boden kühl, lassen dem Baum im Erdreich genügend Raum zur Verwurzelung und Wasseraufnahme. Der durchlässige Boden ermöglicht eine Versickerung des Regenwassers. Die (Wild-)Blumen oder Sträucher bieten Nahrung und Lebensräume für Insekten, Vögel und andere Tiere.

 

Artenreiche Baumscheibe im Museumsquartier, Kinder zählen 50 Bienen auf ca. 8-12 Quadrameter grossen Inseln.

Die Bäume entlang der Strasse sind mit Rabatten unterpflanzt. Die Bäume, deren Laubkleid sich genügend ausbilden können, spenden den Fussgänger/innen Schatten.

Auch Verkehrsinseln hier im Heiligkreuz sind meist bepflanzt.

Die noch sehr junge Allee entlang der Poststrasse wird von ihrem bisherigen Sickerasphalt befreit und mit Grün unterpflanzt.

 
 

Kleingrünräume — Strassenspickel

Jene Strassenspickel, die naturnah mit Bäumen, Blumen und Naturwiese gestaltet sind, führen das grosse Potenzial vor Augen und bewirken auf kleinen Flächen Grosses.

 

Drei gute Beispiele am Rosenberg, hier junge Stauden

Auf Restfläche wird verzichtet, Bäume wachsen bis zum Strassenraum

Artenreiche Begrünung an der Dierauerstrasse

 
 

Grosse Grünfreiräume – Öffentliche Park- und Grünanlagen

Der botanische Garten ist in einer mittelgrossen Stadt wie St. Gallen keine Selbstverständlichkeit. Es werden rund 8000 beschriftete Pflanzen aus aller Welt gepflegt, Führungen und Ausstellungen veranstaltet und regelmässige Publikationen über Pflanzen herausgegeben. Mit diesem reichhaltigen Angebot wird der Botanische Garten seiner Aufgabe als Ort der Bildung gerecht. Die Anlage hat auch aussenräumlich grosse Qualitäten und ist ein lebendiger Ort der Erholung und der Begegnung.

Der Stadtpark ist das Paradebeispiel eines malerischen Landschaftsparks mit reichem Baumbestand und schmuckem Rosengarten. Die zwei Wasserflächen beim Gauklerbrunnen und bei der Voliere locken Bienen, Vögel und Menschen gleichermassen an.

Die Staudengärten entlang der Torstrasse sind imposant hoch und artenreich und sie grenzen den Park zur Strasse ab. Die Bauminseln zeigen überzeugend, wie über der Parkgarage ein natürliches Landschaftsbild entstehen kann. Viele Vögel brüten im Rankgerüst.

Der Bildweiher ist der Biodiversitäts-Hotspot im Westen der Stadt. Er stellt mit Feuchtgebieten und stehenden Seichtwasserzonen eine ökologische Rarität dar. Leider ist er komplett durch Bauten eingefasst.

 

Unterer Brühl — Teil West

Stadtpark

Bildweiher

Botanischer Garten

 
 

Öffentliche und halböffentliche Anlagen – Schulen, Sportanlagen, Kirchen, Friedhöfe, Familiengartenareale, Pflegeheime

  • Die Umgebung des Primarschulhauses Rotmonten wurde naturnah umgestaltet.

  • Das Areal um die Kirche St. Otmar wirkt verwunschen. Zwischen alten Bäumen, blühenden Stauden und Kies-Rasenflächen steht das Gemäuer.

  • Das in Holzbauweise erstellte Primarschulhaus strahlt Nachhaltigkeit aus. Ein reicher Baumbestand bringt Atmosphäre und Schatten.

  • Der einzige Familiengarten mit einer Durchwegung lässt die Öffentlichkeit am Garten teilhaben. Die Anlage ist beispielhaft für andere geschlossene Familiengärten.

  • Die Friedhofsanlage hat die Ausstrahlung eines malerischen Landschaftsparks mit ökologisch wertvollem Baumbestand und Kleinststrukturen, die auch den Menschen Orte des Rückzugs geben.

 

Schulhaus Rotmonten

Kirche St. Othmar

Schulhaus Oberzil

Familiengärten Blumenwies

Ostfriedhof

 
 

Dächer, Fassaden und Stützmauern – private Gebäude, öffentlicher Raum

Ein privater Dachgarten im Stadtzentrum bietet Lebensräume für flugfähige Insekten. Beispiele zeigen, wie Fassaden begrünt werden: Eine Fassade in der Altstadt, ein Dachgarten im Museumsquartier, eine Fassade am Rosenberg, ein Vorgarten an der Davidstrasse, eine Stützmauer am Rosenberg und eine an der Unterstrasse. Ein wahres Paradies offenbart sich in einem Hinterhof an der Davidstrasse. Inmitten dichtester Stadt hört man dank grossartiger Rankfassade und idyllischem Garten viele Vögel.

 

Dachgarten im Stadtzentrum

Stützmauer am Rosenberg

Vorgarten Davidstrasse

Fassade in der nördlichen Altstadt

 
 

Parkplatz- und Ruderalflächen auf öffentlichem Grund

  • Die umgenutzte Lokremise zeigt eine ruderale Arealgestaltung mit viel Kies und natürlichem Bewuchs.

  • Die Pufferflächen für die baulichen Erweiterungen auf dem EMPA-Gelände sind ökologisch vorbildlich gestaltet. Im Heckenkörper, der Kunst-am-Bau-Installation des Bildhauers Jürg Altherr, zwitschern die Vögel. Ein Kiesweg führt entlang eines Bachs, der durch Blumenwiesen, Stauden und Schilf jedoch nicht zu sehen ist.

  • Die Durchwegung zwischen Privatgrundstücken in St. Georgen wird ohne Befestigung natürlich belassen.

  • Eine Restfläche am westlichen Rand des oberirdischen Parkplatzes auf dem Bahnhof Nord wurde mit Rosenbüschen bestückt.

 

Lokremise

Parkplatzbegrünung Empa

Bahnhof Nord

 

☺ ☹

 
 

GUTE ANSÄTZE — ABER MEHR POTENZIAL

Kleine Grünfreiräume – private und öffentliche Anlagen von Bedeutung

Den kleinen Parks und Spielplätzen kommt eine grosse Bedeutung zu, denn sie versorgen die Quartiere mit Natur und einem sozialen Treffpunkt im Alltag. Rasenflächen, Schnitthecken und Bäume an den Randzonen dominieren das Bild.

  • Die Räume könnten aber bei gleicher Nutzung vielfältiger an Natur, Oberflächen und Pflanzenarten sein. Ein reiches Ensemble einheimischer Hecken, Stauden sowie wilde Ecken würden vielen seltenen Vögeln und Insekten wieder Lebensraum bieten, wo heute nur noch Spatzen und Tauben zu sehen sind.

  • Die Schülerhauswiese ist ein wichtiger Quartiertreffpunkt für das Linsebüelgut. Es gehört zur Zone Ö, sollte aber zur Freiraumsicherung zur Grünzone umgezont werden. Eine Vielfalt von Sträuchern könnte die monotone Schnitthecke auflockern, ein Staudensaum könnte die Fussballwiese umgeben und vielen Stadtwildtieren Lebensraum bieten.

  • Das Vonwilpärkli ist eine kleine Oase im dicht bebauten Quartier, eine Feuerstelle und mehr Natur würde den Ort beleben. Dieses Pärkli ist bereits als Grünzone gesichert.

  • Das Lachenpärkli inmitten von Wohnhäusern könnte durch gezielte Naturaufwertung mehr Bedeutung für die Pflanzen- und Tierwelt erhalten. Die Vernetzungsfunktion durch seine Lage zwischen Burgweiher und Kreuzbleiche ist von wesentlicher Bedeutung. Es gehört zur Zone Ö, sollte aber zur Freiraumsicherung zur Grünzone umgezont werden. Die vielen Wohnungen in der Umgebung profitieren in hohem Ausmass von diesem Pärkli.

 

Schülerhauswiese

St. Othmarstrasse

Lachenpärkli

Brandwandplätzli Linsebühlstrasse

 
 

Grosse Grünfreiräume – Öffentliche Park- und Grünanlagen

  • Stadtpark zwischen den Museen: Früher war die Parkfläche vielfältiger bepflanzt. Die Wiese könnte trotz Unterkellerung als strukturreiche, naturnahe Parkzone mit Büschen, Stauden und Blumenbeeten ausgestaltet werden.

  • Die Kreuzbleiche könnte weit mehr sein. Die Kastanienallee ist wertvoll und bei den Nutzer/innen sehr beliebt. Der Parkweg ist asphaltiert und die Flächen sind mit Rasen bedeckt. Der Freiraum ist artenarm und Gewässer fehlen gänzlich.

  • Der östliche Teil des Unteren Brühl ist kahl, asphaltiert und wirkt steril. Die Linden leiden unter der Bodenversiegelung. Das Schulhaus ist überhitzt. Eine Entsiegelung der Böden und Unterpflanzung der Bäume wäre ein wichtiger Aufwertungsschritt.

  • Trotz wertvoller Aufwertungen bleiben intensiv bewirtschaftete Wiesenflächen und strukturlose Flächen ohne ökologische Aufwertungen bestehen. Die Extensivierung und Reduktion der Landwirtschaftsflächen auf diesem Gebiet wäre ein weiterer wichtiger Schritt.

 

Kreuzbleiche

Stadtpark zwischen Museen

Burgweiher

Unterer Brühl

 

 
 

EINFACH BESSER MACHEN

Baumscheiben und Rabatten – Verkehrsinseln, Alleen, Platzbegrünung

  • Roter Platz: Die Stadtlounge, das Kunstwerk aus dem Jahr 2005, bedeckt eine Fläche von ca. 4600 Quadratmetern mit Kunststoffgranulat. Für die Reinigung musste ein Spezialfahrzeug beschafft werden. Die Bäume schiessen wie Antennen aus dem roten Belag, der Wurzelbereich ist nicht genügend gekühlt. Eine grössere Öffnung und Unterpflanzung wäre eine dringende Massnahme, damit sich die Bäume entfalten können.

  • Die Aktivierung von Nischenplätzen, wie derjenige an der Bahnhofstrasse, könnten in der Summe zur ökologischen Aufwertung Wichtiges beitragen. Dieser zentral gelegene, verschwendete Raum könnte mit der richtigen Bepflanzung zur Ergänzung des spärlichen Baumes viel bewirken.

  • Poststrasse: Momentaufnahme an einem Hitzetag (31. Juli 2020). Das Laub der Bäume, deren Wurzelreich mit Sickerasphalt bedeckt ist, ist sichtlich dunkler und kraftloser als das Laub der Bäume in direkter Nachbarschaft, die unterpflanzt sind.

  • Bahnhof Nord: Die Baumsäcke vor der Fachhochschule bieten ökologisch und klimatisch keinen Mehrwert.

  • Brühltor: Momentaufnahme vom 9. August 2020, nach einigen trockenen, heissen Sommertagen. Der Baum ist eingegangen.

Roter Platz

 

Bahnhofstrasse

Poststrasse

Brühltor

 
 

Kleingrünräume —Übrige Flächen an Hanglagen und Strassenverschnitten

Die Strassen an den städtischen Hanglagen lassen eine Vielzahl an dreieckigen Spickeln entstehen. Diese sind ein Markenzeichen für St. Gallen. Oft fristen diese Spickel ein trauriges Dasein als Rasen, kahle Böschung oder gar als Asphaltfläche.

 

Wassergasse

Goethestrasse

Schoeckstrasse

 
 

Öffentliche und halböffentliche Anlagen – Schulen, Museen, Familiengärten

  • Die Ostseite des Naturmuseums ist kahl und asphaltdominiert.

  • Hadwigschulhaus: Das Hadwigschulhaus ist von riesigen Asphaltflächen umgeben. Die Kastanienbäume leiden und werden teils nicht ersetzt, wenn sie gefällt werden.

  • Schulhaus Boppartshof: Die Umgebung des Schulhauses ist asphaltiert. Bäume und Ökoflächen hat es kaum.

  • Familiengärten Schönenwegen: Diese Familiengartenanlage hat keinen öffentlichen Weg und ist fast baumlos – eine Sperrzone inmitten des Grünzugs West. Eine Durchwegung und Bereicherung mit Obstbäumen wären wesentliche Massnahmen.

  • Kantonschule am Burggraben: Der Hof ist unbelebt und grau. Er soll neu ein grünes Herzstück der Schule werden. Eine Arbeitsgruppe lanciert zur Innenhofbegrünung erste Projektvorschläge.

 

Kantonsschule am Burggraben

Hadwigschulhaus

Naturmuseum

Familiengarten Schönenwegen

 
 

Dächer, Fassaden und Stützmauern – private Gebäude, öffentlicher Raum und Gewerbebauten

  • Birnbäumen: Die fehlende Begrünung der Überbauung Birnbäumen. Echtes Dachgrün hätte an dieser Lage am Siedlungsrand eine besondere Bedeutung.

  • Garage UG 25: Das Strassenbild ist trotz der Lage am Grünen Ring grau und unwirtlich. Der Platz für Bäume fehlt. Eine Berankung des Garagengiganten wäre ein Gewinn für Natur- und Strassenraum.

  • Felsenstrasse/Teufenerstrasse: Die mächtige Betonmauer Felsenstrasse/Teufenerstrasse vermittelt Unwirtlichkeit. Ranken könnten in beengter Strassenlage willkommene Begrünung bringen.

 

Birnbäumen

Garage UG 25

Felsenstrasse/Teufenerstrasse

 
 
 

Parkplätze – auf privatem und städtischem Boden

  • Spelteriniplatz: Wenn nicht gerade der Circus Knie einmal jährlich sein Zelt oder der Jahrmarkt zweimal jährlich seine Buden aufbaut, herrscht auf dem Spelteriniplatz eine kahle, unattraktive und im Sommer heisse Situation.

  • Bahnhof St. Fiden: Die Parkflächen auf dem Areal Bahnhof St.Fiden belegen eine grosse, wertvolle, zentral gelegene Fläche, die mit der richtigen Umnutzung einen Mehrwert darstellen könnte.

  • Strassenräume Innenstadt und Speicherstrasse: Die Strassenräume sind überbreit, Begleitflächen werden nur durch Parkierungen genutzt.

 

Spelterini-Parkplatz

Hintere Bahnhofstrasse

Bahnhof St. Fiden

 
 

Strassen – Strassenräume sind im grauen Korsett gefangen

  • Meienbergstrasse: Eine Rennpiste mit Überbreite erschliesst das Quartier Birnbäumen. Eine baumbestandene, schmale Zufahrt wäre weit wohnlicher.

  • Teufenerstrasse: Die 2021 fertiggestellte Strasse gibt ein graues Bild ab. Für Bäume blieb im oberen Teil der Strasse kein Platz.

  • Rorschacherstrasse: Die Rorschacherstrasse ist durch die Eigentrassierung der Spuren zum monofunktionalen Strassenraum geworden, der die Häuser und das Leben vergessen hat.

  • Vadianstrasse: Die gelben Markierungen sollen für Verkehrsberuhigung sorgen, stören jedoch das Stadtbild.

 

Meienbergerstrasse

Teufenerstrasse

Rorschacherstrasse

Vadianstrasse

 

 
 

02
Analyse Ist-Zustand

 
 

Kapitel 1
Was macht St.Gallen aus?



Kapitel 2
Grünbestand


Kapitel 3

Analyse Biodiversität


Kapitel 4
Wie grün ist St. Gallen wirklich?

 

St. Gallens Lage ist ernst

Es ist nicht einfach, den Verlust der Biodiversität während den vergangenen Jahren zu beziffern, da bezüglich Fauna und Flora kein lokales Monitoring stattgefunden hat. Der Verlust der Grünräume und Naturobjekte hingegen ist quantifizierbar. Qualitative Hinweise auf den lokalen Artenschwund liefern Beobachtungen von Naturliebhabern oder Instituten wie der Vogelwarte Sempach. Das Ergebnis weist darauf hin, dass die Lage auch in St. Gallen sehr ernst ist.

St. Gallen hat in den letzten 40 Jahren namhafte Naturlebensräume verloren. Die Siedlungsfläche nahm zu. Dies zulasten landwirtschaftlich genutzter Flächen, Pionier-Flächen sowie Freiräumen innerhalb der Stadt (z.B. Siechenäckerli bei der Stadtsäge). Dies bedeutet nicht nur einen Verlust an Boden, sondern auch einen Verlust von ökologisch interessanten Lebensräumen samt ihrer Artenvielfalt. Auch der Verlust an wertvollen Baumhabitaten durch Fällung und fehlender Nachwuchsgenerationen liessen Lebensräume verschwinden.

Die Konsequenz lässt sich anhand der Vogelbeobachtungen ablesen. Es gibt im Stadtgebiet kaum mehr spezialisierte Arten wie den Gartenrotschwanz. Anpassungsfähige Generalisten wie der Spatz können sich noch immer behaupten.

 

Grünraumverlust

 
 

Schwund der Biodiversität in den vergangenen Jahren

Die Biodiversität im Kanton St. Gallen und in der Schweiz nimmt zusehends ab. So hat sich beispielsweise in den letzten Jahren die Gefährdungssituation sowohl bei den Brutvögeln als auch bei den Gefässpflanzen verschlechtert (Biodiversitätsentwicklung in der Schweiz, BAFU, Stand 2016).

Auch der Rückgang der Insekten während der letzten Jahrzehnte ist wissenschaftlich breit dokumentiert (z.B. Insektenschwund in der Schweiz und mögliche Folgen für Gesellschaft und Wirtschaft, Akademien der Wissenschaften Schweiz, 2019). Die Hauptursachen sind bekannt: Intensivierte Landwirtschaft mit Grosseinsatz von Pestiziden und Düngern, intensivere Schnittnutzung des Grünlands, fehlende Strukturen in der Landschaft. Die bisherigen Bemühungen zum Ausgleich dieser menschlichen Tätigkeiten reichen bei weitem nicht für den langfristigen Erhalt der Biodiversität.

Der Bundesrat hat 2012 die Strategie Biodiversität Schweiz verabschiedet. Darin wird basierend auf dem internationalen Übereinkommen über die biologische Vielfalt verlangt, dass 17 Prozent der Landesfläche als Schutzgebiete ausgeschieden und geschützt werden. Gemäss der UNO-Konvention über die Biologische Vielfalt (2020) sollen bis 2030 aber mindestens 30 Prozent aller Landflächen geschützt sein (10 Prozent streng geschützt). Im Hinblick auf diese Ziele, die sich der Bund gesetzt hat, sowie dem offensichtlichen Rückgang der Biodiversität, sind die in der Direkt- zahlungsverordnung festgesetzten Prozentsätze zum ökologischen Ausgleich als Bedingung für den Bezug von landwirtschaftlichen Subventionen viel zu niedrig (7 Prozent Biodiversitätsförderflächen sind vorgeschrieben, bei Betrieben mit Spezialkulturen sogar nur 3,5 Prozent).

Verlust an grossen Grünflächen, Kulturlandschaften und Habitate am Siedlungsrand

St. Gallen hat in den letzten 30 Jahren namhafte Grünflächen verloren. Die Siedlungsfläche nahm zu – zulasten der landwirtschaftlich genutzten Fläche, Pionier-Flächen sowie kleinen, freistehenden Wiesen innerhalb der Stadt (z.B. Siechenäckerli bei Stadtsäge).

Dies bedeutet nicht nur einen Verlust von Boden, sondern auch von ökologisch interessanten Lebensräumen samt Artenvielfalt.

Ziel der Korridore innerhalb der Stadt ist es, die Lebensräume von Tieren und Pflanzen vom Kulturland an der Peripherie bis tief in die Siedlung zu vernetzen. So können auch kleine Lebensräume in Gärten und Kleinparks aktiviert werden. Innerhalb des Siedlungskörpers St. Gallens sind «Zahnlückenverdichtungen» durch den Bau einzelner Häuser oder Häusergruppen oder Fabrikareale die Ursache dieser Zerstückelung von Freiraumzügen.

FLUGAUFNAHME 2008 ⬤ AUFNAHME 2019

Ein exemplarisches Beispiel für ein stadtweites Problem: Sieben grosskronige Bäume sind im Laufe der letzten 9 Jahre auf den 4 Parzellen an der Girtannerstrasse verschwunden. Die Baumschutzzone hat nicht geholfen, die Bäume zu retten. Insbesondere eine mächtige Blutbuche, die ca. 150 Jahre alt ist, wurde wegen ihres Schattenwurfs und der Einfahrt gefällt.

Zerstückelung der Lebensräume innerhalb der Stadt

Farbige Flächen zeigen Grünraumverluste seit 1980

 
 

2,2 km2 Verlust an Grünraum bei gleicher Bevölkerungszahl seit 1980

  • Verlust an Stadtbäumen auf Privatarealen

  • Verlust an Stadtbäumen auf öffentlichen Flächen

  • Verlust an Kulturlandschaft

  • Verlust an artenreichen Privatgärten

  • Veränderung des Wasserhaushalts

 
 

Vögel als Indikatoren

 
 

Gehen uns die Vögel aus?

Tatsache ist, dass sämtliche anspruchsvollen Arten, allen voran die Bodenbrüter und insektenfressende Vogelarten, bedroht sind.

Anspruchsvolle Brutvogelarten sind Indikatoren für eine hohe Biodiversität. Das Vorkommen solcher Arten kann Hinweise über die Lebensraumvielfalt, die Grösse, Qualität oder Vernetzung von Lebensräumen liefern. Die Präsenz anspruchsvoller Vogelarten alleine verrät hingegen nichts darüber, wie gross die Bestände sind, wie gut es der Population geht oder ob die Fortpflanzung den Fortbestand der Population ermöglicht. Oder, ob der Lebensraum auch für andere Tierarten wie beispielsweise Amphibien mit gänzlich anderen Anforderungen und Lebensraumzyklen geeignet ist. Ganz unterschiedliche Umweltfaktoren (Nahrung, Lebensraumangebot, abiotische Faktoren wie Temperatur, Bodenfeuchte, Räuberdruck, Störungen, etc.) wirken unterschiedlich auf verschiedene Organismen. Entsprechend unterschiedlich fallen Fördermassnahmen aus. Allgemeingültig ist jedoch das Prinzip, wonach ein Mosaik aus möglichst heterogenen Naturflächen, die miteinander vernetzt sind, eine hohe Artenvielfalt ermöglicht, weil ganz unterschiedliche Lebensraumtypen und -bedingungen vorhanden sind.

 

Tierbeobachtungen

 
 

Tierbeobachtungen in der Stadt St. Gallen und Umgebung

Naturfotograf Hans Oettli beobachtet seit 40 Jahren Tiere in St. Gallen, vor allem auf seiner Lieblingsroute im Gebiet Freudenberg-Kapfwald-Wenigerweiher. Er öffnet für «Grünes Gallustal» sein Fotoarchiv und damit ein Fenster in vergangene Tage. Ein absoluter Glücksfall! Viele Artennachweise von Hans Oettli sind erstaunlich. Darunter sind viele Arten der Roten Liste, die heute nicht mehr zu beobachten sind. Diese Fotos sind eindrückliche Belege verloren gegangener Landschaftsqualitäten und Naturwerte.

 
 

Stadtwildtiere

 
 

Stadtwildtiere

Viele unserer wilden Nachbarn leben versteckt und sind nachtaktiv. Die Projekte «Wilde Nachbarn» und «StadtWildTiere» wollen diese heimlichen Siedlungsbewohner sicht- und erlebbar machen. Dazu werden gemeinsam mit der Bevölkerung Beobachtungen von Wildtieren gesammelt. Mit der Zeit ergeben diese Zufallsbeobachtungen in ihrer Summe ein gutes Bild der Verbreitung von Artenvorkommen. Die «Citizen Science Projekte» schliessen Wissenslücken und stellen Grundlagen für den Schutz und die Förderung bereit.

Igel – 548 Meldungen

Die Igelbeobachtungen sind nicht gleichmässig verteilt. Die vermehrt im Westen der Stadt vorhandenen attraktiven Privatgärten weisen keine besonders hohe Meldehäufigkeit auf. Die Verteilung der Igelbeobachtungen dürfte stark von unterschiedlichen Meldeaktivitäten beeinflusst sein. Der Igel ist sehr mobil. Treppenabsätze oder Mäuerchen von 20 bis 30 Zentimeter Höhe kann er meist nicht überwinden.

Historische Verbreitungsdaten der Igel sind nicht vorhanden. In Zürich haben die Igelbestände während der letzten 25 Jahre um rund 40 Prozent abgenommen. Die starke Bautätigkeit in St. Gallen dürfte zu ähnlichen Bestandeseinbussen geführt haben.

Igel sind dämmerungs- und nachtaktive Einzelgänger. Bis zur Morgendämmerung können sie mehrere Kilometer zurücklegen. Dabei suchen sie nach Regenwürmern, Schnecken und Insekten. Auch Katzen- und Hundefutter verschmähen sie nicht. Den Tag verbringen sie in nestartig ausgepolsterten Unterschlüpfen in dichterem Gestrüpp, z.B. in Hecken, mit Efeu bewachsenen Flächen, Asthaufen oder Hohlräumen unter Gebäuden.

 
 

Siebenschläfer – 21 Meldungen

Die Verbreitung des Siebenschläfers auf Stadtgebiet ist mit 21 Meldungen zu wenig genau erfasst. Die Meldungen vom Stadtrand, nahe von Waldrändern, sind dennoch stimmig. Dort ist das Höhlenangebot grösser und der eine oder andere Schopf zum Nisten zugänglich. Mit der Zentrumsnähe nimmt die Lebensraumeignung für den Siebenschläfer klar ab.

Der Siebenschläfer ist ausschliesslich nachtaktiv. Sein kugeliges Nest baut er in Höhlen, Nistkästen, Waldhütten und Scheunen. Dazu verwendet er Laub, Moos und Rindenteile. Der Siebenschläfer verbringt den Grossteil seines Lebens auf Bäumen. Er ernährt sich von pflanzlicher Kost (Obst, Beeren, Samen, Blätter- und Blütenknospen und Pilzen), aber auch von Insekten, Schnecken und Jungvögeln.

 
 

Eichhörnchen – 502 Meldungen

Das Eichhörnchen wird oft beobachtet. Seine Tagaktivität, geschäftige Kletterei und Futtersuche begünstigen seine Entdeckung. Das Eichhörnchen mag alte Nadel- und Laubbäume. Auch das Eichhörnchen meidet die stark versiegelte Talsohle entlang der Hauptverkehrsachsen.

Das tagaktive Eichhörnchen lebt mehrheitlich auf Bäumen. Die Nahrung wird in Bäumen und teilweise am Boden gesammelt: Baumsamen, Bucheckern, Eicheln, Haselnüsse, Knospen, Pilze, Insekten, Schnecken, Jungvögel. Der Nager vergräbt Nüsse und Samen oder versteckt diese in Baumhöhlen als Vorrat. Das kugelförmige Nest («Kobel») wird vorwiegend in Nadelbäumen gebaut, im oberen Kronenbereich dicht beim Stamm.

 

Reh – 181 Meldungen

Rehe mögen offene Äsungsflächen mit saftigem Grün in Waldnähe. Diese Flächen beweiden die Paarhufer nach Einbruch der Dämmerung. Bei Störungen bietet der nahe Wald Schutz. Störungen mögen sie nicht, weshalb die scheuen Tiere vom lärmigen Zentrum fern bleiben.

Die vielen Meldungen entlang der südlichen Talflanken bestätigen diese Vorlieben. Ob die Waldränder der nördlichen Talflanke weniger attraktiv sind oder ob es einfach weniger meldende Personen gab, bleibt vorerst offen. Das Reh gilt als Feinschmecker und frisst Gräser, Kräuter, Knospen und Triebe von Bäumen und Sträuchern; oder auch Rosenknospen in Gärten. Die Tiere leben einzeln, in Familien oder in von Weibchen dominierten Gemeinschaften. Im Winter leben die Tiere geselliger.

 

Dachs – 217 Meldungen

Der Dachs ist erstaunlich weit über das Stadtgebiet gesichtet worden – und das nicht nur auf grossen Grünflächen. Die mehrheitlich versiegelte Talsohle erstreckt sich quer zwischen den grünen Flanken von West nach Ost. Dort sind Deckungsstrukturen und somit auch der Dachs weniger häufig zu beobachten. Der Dachs ist vor allem während der Wanderungen (Nahrungs- und Partnersuche) in der Stadt anzutreffen. In Zürich erfolgt sogar die Jungenaufzucht teilweise in der Stadt.

Auch in St. Gallen ist aufgrund der gestiegenen Dachszahlen davon auszugehen, dass der Säuger vermehrt Bauten mitten in der Stadt anlegt und dort auch Junge aufzieht (Geiger et al. 2018). Der europäische Dachs ist der grösste einheimische Marderartige. Er ist ein opportunistischer Allesfresser mit einer Vorliebe für Regenwürmer. Gerne frisst er auch Insekten, Schnecken, Amphibien, Früchte und Getreide. Er ist ein Sammler, kein Jäger und lebt in Familiengruppen von 2 bis 20 Tieren. Je nach Bestandsdichte und Nahrungsverfügbarkeit quert er Streifgebiete von etwa 100 bis 300 Hektar.

 

Fuchs – 384 Meldungen

Meister Reineke wird praktisch auf dem gesamten Stadtgebiet beobachtet. Der Fuchs mag aber offenbar die versiegelte und zerschnittene Talsohle entlang der Hauptverkehrsachsen ebenso wenig wie der Dachs und andere Wildtiere. Die Gesamtanzahl der in St. Gallen lebenden Füche ist noch nicht bekannt. In der Stadt Zürich sind es ca. 500, in der ganzen Schweiz etwas über 100’000 Füchse.

Füchse leben in guten Lebensräumen in Familiengruppen. Für die Jagd und die Nahrungssuche sind sie allein unterwegs, nutzen aber mit anderen Familienmitgliedern ein gemeinsames Territorium. Schlaf- und Ruheplätze werden häufig gewechselt und befinden sich oft an geschützten Stellen im Freien, z.B. in Gebüschen, im Siedlungsraum häufig auch in Hohlräumen unter Gebäuden (Baracken, Gartenhäuschen).

 

 
 

02
Analyse Ist-Zustand

 
 

Kapitel 1
Was macht St.Gallen aus?

Kapitel 2
Grünbestand

Kapitel 3
Analyse Biodiversität

Kapitel 4
Wie grün ist St. Gallen wirklich?

 

Neuer Stadtperimeter

Die Ermittlung des Öko-Potenzials im Ist-Zustand bezieht sich auf die Flächen in Stadtnähe. Dazu wird ein Perimeter beigezogen, der das untersuchte Gebiet eingrenzt, aber die Flächen zwischen den tentakelartig in die Landschaft ragenden Siedlungsrändern einbezieht. Der neue Perimeter zählt deshalb rund 8,5 Quadratkilometer stadträumlich relevante Grün- und Erholungsflächen zum Siedlungsgebiet hinzu.

 

Städtemonitoring

 
 

Städtemonitoring: St. Gallen nur auf Rang 8

Im Städtemonitoring von Avenir Suisse, das im Oktober 2018 veröffentlicht wurde, schneidet St. Gallen unter Indikator 4.5 «Anteil Grünanlagen im Stadtgebiet» mit Rang 8 unter den grossen und mittelgrossen Schweizer Städten eher schlecht ab. Den höchsten Anteil hat Genf (17 Prozent). St. Gallen findet sich auf Rang 8 mit 9.6 Prozent (Stand 2008).

Schlusslicht ist Lugano. Die Stadt hat den Handlungsbedarf erkannt und 2020 eine grosse Begrünungsstudie in Auftrag gegeben. Im Vergleich der mittelgrossen Städten wie St. Gallen weist Luzern mit 13.7 Prozent einen wesentlich höheren Anteil an Erholungs- und Grünflächen aus.

Die Zahlen basieren auf der Arealstatistik des Bundesamts für Statistik. Zu den ermittelten 9.7 Prozent Grünanlagen werden Parks, Friedhöfe, Sportplätze und Schrebergärten gezählt und der Fläche des Siedlungsgebiets (100 Prozent) – bestehend aus Industrie- und Gewerbearealen, Gebäudearealen, Verkehrsflächen, besonderen Siedlungsflächen (Infrastrukturanlagen wie Kraftwerke oder Abwasserreinigungsanlagen), Erholungs- und Grünanlagen – gegenübergestellt. Erholungs- und Grünanlagen ausserhalb des Siedlungsgebiets kategorisiert Avenir Suisse als Naherholungsgebiete, die nicht in die Berechnung zur Grünraumversorgung einfliessen.

Neuer Betrachtungsperimeter — Rote Line

 

Flächenbilanz

Der Ausschluss der Naherholungsgebiete ist bei der Ermittlung der Potenziale für St. Gallen nicht sinnvoll. Das Areal um die Drei Weieren (Dreilinden) beispielsweise bringt als frequentierter und stadtbildlich relevanter Grünraum einen Mehrwert.

Da dieser Raum in unmittelbarer Nähe des Stadtkerns liegt, ist er für die Grünraumversorgung relevant. Ausserdem liegt er im stadträumlich relevanten Gebiet – noch vor der Krete des Freudenbergs. Davon ausgehend definiert «Grünes Gallustal» einen neuen Betrachtungsperimeter, der einen stadträumlich sinnvollen Bereich abgrenzt. Er verläuft grundsätzlich entlang der Siedlungsgrenze, erweitert entlang der Kretenverläufe und der Flächen entlang der Sitter.

 

Vom Zonenplan zum Potenzialplan

 
 

Vom Zonenplan zum Potenzialplan

Aus dem Zonenplan wurde mit einem Umwidmungsschlüssel der Potenzialplan entwickelt. Der Potenzialplan basiert auf ökologischen Kriterien. Dieser Plan lässt Muster, Zusammenhänge, Quantitäten und Qualitäten der Räume erkennen. Der Potenzialplan bildet den Ist-Zustand der Stadt im Jahr 2020 ab, weist die ökologischen Potenziale aus und bewertet diese. Der Plan offenbart viele verbleibenden Potenzialflächen, deren Zusammenhang hergestellt werden sollte, um die Stadtnatur zu verbessern.

Die Zusammenhänge können durch die vielen bereits vorhandenen Querverbindungen (Querzüge) realisiert werden. Viele der Flächen sind ökologisch nicht aktiviert und liegen brach. Betroffen sind dabei insbesondere öffentliche Areale, Strassenflächen, Bahngleise und Begleitflächen, Intensivlandwirtschaftswiesen und nicht aktivierte Privatgärten.

ZONENPLAN ⬤ POTENZIALPLAN

 
 

Der Potenzialplan ist ein ökologisch bewerteter Stadtplan

Dieser Plan offenbart viele verbleibende, wenig aktivierte Potenzialflächen, deren Zusammenhang hergestellt werden sollte, um die Stadtnatur zu stärken. Die Zusammenhänge können durch die vielen bereits vorhandenen Querverbindungen (Querzüge) realisiert werden.

Je heller und farbloser die Legendenfarbe, desto tiefer ist der heutige Ökowert. Je grüner, desto höher liegt der heutige Ökowert.

POTENZIALPLAN ⬤ HEUTE