«Die Zeit drängt – es besteht ein klarer Auftrag»: Interview mit Lukas Indermaur
Lukas Indermaur, wir treffen uns hier am Bahnhofpärkli, das für Sie ein positives Beispiel für St.Gallen ist. Doch weshalb hat die WWF-Sektion St.Gallen die Initiative für das Leitbild «Grünes Gallustal» ergriffen? Was gefällt Ihnen nicht an St.Gallen?
Lukas Indermaur: In heissen Tallagen gibt es zu wenig Grünflächen, wie hier beim Bahnhofpärkli. Es geht darum, dass keine integrale Strategie besteht, wie sich die Stadt dem Klimawandel anpasst, wie die Ökologie gefördert wird und wie zusätzliche Freiräume geschaffen werden. Die Zeit drängt und vom Bund besteht ein klarer Auftrag, Massnahmen im Siedlungsraum für die Klimaanpassung, Biodiversitäts- und Freiraumförderung umzusetzen. Nicht nur die Städte im Kanton St.Gallen scheuen sich vor diesen Aufgaben.
Diese Umsetzungslücke hat nun der WWF mit Hilfe anderer Umweltorganisationen ausgefüllt. Welches sind für Sie die Kernbotschaften dieses 1500 Seiten starken Berichts?
Wir wollen der notwendigen, künftigen Stadtentwicklung in Richtung Ökologie ein konkretes Gesicht und ein Format geben. Der Bericht soll ein Massstab für die urbane Entwicklung sein, eine Art Kochbuch, nach dem sich die betroffene Bevölkerung auch in anderen Städten richten kann. Beispielgebend sind etwa die «Squares», grüne Flächen in den Quartieren, und die Art und Weise, wie man zu breite Quartierstrassen ökologisieren kann. Wir wissen ganz konkret, wieviel und wo Grünvolumen angelegt werden kann, wie stark die Ökoflächen erhöht und die CO2-Bindung verbessert werden muss.
Wie geht es nun nach der Präsentation des Leitbildes weiter?
Wir geben mit dem Leitbild der Zivilgesellschaft, der Politik, den Parteien und allen Interessierten ein Instrument in die Hand und warten ab, ob sich ein dynamischer Transformationsprozess entwickelt. Denkbar ist auch die Bildung einer Interessengemeinschaft «Grünes Gallustal», die offen für alle Akteure ist und sich für die Umsetzung von «Grünes Gallustal» einsetzt. Wir werden uns dafür einsetzen, dass ökologische Verbesserungen auf die Revision der Bau- und Zonenordnung, die nun in den nächsten fünf Jahren ansteht, deutlich abfärben. Gleichzeitig wollen wir unsere Grundlagen innerhalb und ausserhalb des Kantons verbreiten. Es ist wichtig zu wissen, dass die kantonalen Gesetze fast keine Schranken setzen und die Gemeinden umsetzen könnten, wenn sie wollten. Die wichtigsten Verbesserungsvorschläge des Leitbildes wären mit dem nötigen Willen schnell umsetzbar. Und das ist auch notwendig.
Zur Person
Der Gewässerbiologe Lukas Indermaur ist Geschäftsführer der WWF-Sektion St. Gallen.
Interview: Martin Arnold, Journalist