Warum «Squares» im Quartier so wichtig sind: Eine Freiraumplanerin gibt Auskunft
«Grünes Gallustal» wird gesamtschweizerisch mit grossem Interesse beachtet. Lena Unger, Freiraumplanerin in Zürich und Bern, gibt bezüglich Quartierfreiräumen und Stadtpärken eine Einschätzung.
Text: Lena Unger
Freiräume im Park versus im direkten Wohnumfeld
Freiräume übernehmen im städtischen Raum unterschiedliche Funktionen. Es gibt grössere Freiräume, die zur übergeordneten Strukturierung der Stadt beitragen und somit einen wichtigen Beitrag zur ökologischen Vernetzung leisten. Sie dienen der Naherholung der Bevölkerung. Werden Sie als Perlenkette verstanden, handelt es sich um grössere Trittsteine, die die stadtangrenzenden Gebiete miteinander verbinden. Dabei ist es notwendig, dass in ihrer nächsten Nähe auch kleinere Trittsteine zu finden sind, um das kleinmaschige Netz zu vervollständigen und Lücken zu füllen.
Zudem unterscheiden sich kleinere und grössere Freiräume in ihrer Funktion und Bedeutung. Ein Spielplatz oder eine Wiese im direkten Wohnumfeld – einsehbar aus der Wohnung – hat einen anderen Wert als ein Spielplatz im nahegelegenen Park. Beide dienen in erster Linie dem Spiel, sie haben aber sehr unterschiedliche Charaktere und entsprechend auch unterschiedliche Nutzende. Im Hof kann das Kind ohne Begleitung spielen, während es im Park eher von einer erwachsenen Person begleitet wird. Es braucht also ein dichtes Netz an Freiräumen, das alle Nutzungsansprüche abdecken kann.
Wechselwirkung zwischen Freiräumen und Immobilienentwicklung
Verwaltungen können – beeinflusst von der Politik – einen grossen Einfluss darauf nehmen, wie die Immobilienentwicklung in einer Stadt vonstatten geht. Entsprechend sollte es auch möglich sein, dass Immobilienentwickler in die Verantwortung gezogen werden und zu attraktiven Wohnumfeldern beitragen.
Genauso müsste es im Interesse einer Stadt sein, in die Weiterentwicklung und Neuschaffung von Freiräumen zu investieren. Dies gilt besonders für Stadtteile, in denen hoher Leerstand herrscht.
Die grosse Herausforderung dabei ist, die Verdrängung zu vermeiden, weil attraktivere Freiräume zu steigenden Wohnpreisen führen können. Es braucht einen guten Wohnungsmix, damit Städte attraktiv bleiben und nicht zu Wohlstandsghettos werden. Es bräuchte also auch Instrumente der Raumplanung, die diesen Mix beeinflussen können – um quasi den Ausverkauf von ganzen Quartieren zu verhindern.
Ein Vergleich mit Bern
In Bern sind laut Lena Unger «Squares» als wichtige Freiräume in den Quartieren anerkannt und im Berner Baugesetz verankert. Hier einige Auszüge zur Veranschaulichung:
Artikel 15 Berner Baugesetz:
3. Solange bei Mehrfamilienhäusern und Wohnsiedlungen genügend Aufenthaltsflächen und Spielplätze fehlen, dürfen auf den betreffenden Grundstücken als solche dienenden Flächen dieser Verwendung nicht durch Umgestaltung oder Überbauung entzogen werden.
Artikel 48 Berner Baugesetz:
2. Die Baupolizei kann zur Verhinderung einer Zweckentfremdung verlangen, dass der Bauherr die dauernde Erhaltung der für Zwecke gemäss Absatz 1 ausgeschiedenen Flächen mit einer Dienstbarkeit zugunsten der Gemeinde sicherstellt.
Artikel 45: Zusatz Baugesetzrevision:
Herabsetzung der Mindestfläche gemäss Art. 45 Abs. 3 und Art. 46 Abs. 2 BauV
In konkreten Fällen (Altstadt, vorherrschendes Bebauungsmuster, ISOS/Baudenkmäler etc.) soll es jedoch auch möglich sein, aufgrund einer umfassenden raumplanerischen Interessensabwägung die Mindestfläche herabzusetzen.
Spielplätze dürfen nur ausgelagert werden, wenn diese in min. 200m Distanz sind und keine Durchfahrtsstrasse, mit parkierten Autos überquert werden darf.
Art. 45 Abs. 1: Flächenbedarf
BauV ist vollumfänglich nachzuweisen. Der Bedarf des umliegenden Quartiers ist angemessen zu berücksichtigen. Nachweise dürfen sich flächenmässig nicht überlagern. Für einen allfällig zusätzlichen Bedarf ist der Kinderspielplatz zu erweitern. Es besteht die Möglichkeit den Kinderspielplatz nur teilweise auszulagern.
Merkblatt: Nachvollziehbare Erläuterungen
Das Herabsetzen der erforderlichen Mindestflächen oder gar der Verzicht auf solche aussenräumliche. Quartierausstattungen darf nie stillschweigend erfolgen. Vielmehr ist bei Planungen im Erläuterungsbericht nach Art. 47 RPV die raumplanerische Interessenabwägung offenzulegen und die Absicht plausibel zu begründen. Auch im Rahmen von Baugesuchsbehandlungen muss den Bewilligungsbehörden eine nachvollziehbare
Begründung vorgelegt werden, damit die entsprechende Ermächtigung zur (teilweisen) Befreiung erteilt werden kann.
Merkblatt: Ausblick Agieren statt Reagieren
Die Planungs- und Baubehörden der Gemeinden steuern die qualitätsvolle Entwicklung in ihren Gemeinden im Rahmen der Planungs- und Baubewilligungsverfahren. Sie sind daher gefordert und müssen insbesondere auch bei der Wahl baulicher Verdichtungskonzepte gewährleisten, dass einerseits eine ortsbildverträgliche Lösung entsteht und andererseits eine hinreichende und attraktive aussenräumliche Quartierversorgung sichergestellt wird. Nebst der mengenmässigen Ausscheidung muss die Identität dieser Räume, die Akzeptanz, die Erreichbarkeit und die Vernetzung ins Zentrum der Überlegungen gerückt werden. Schlussendlich sind die Bedürfnisse der Bevölkerung und Nutzergruppen massgebend.