Mehr Bäume im St. Galler Stadtzentrum

 

Artikel im Tagblatt, 17. Juli 2020

Mehr Bäume im St.Galler Stadtzentrum am Oberen Graben: Diese Idee des Heimatschutzes kommt mehrheitlich gut an.

Der Vorschlag des Heimatschutzes, zwischen Schibenertor und Broderbrunnen eine Baumallee zu verwirklichen, stösst bei den meisten politischen Parteien auf Wohlwollen. Der Stadtrat prüft die Sache.

St. Galler Tagblatt, Daniel Wirth

Das Tiefbauamt der Stadt St.Gallen ist gegenwärtig daran, die St.Leonhard-Strasse etappenweise zu erneuern und neu zu gestalten. Nach Abschluss der ersten Etappe hat der Heimatschutz St.Gallen/Appenzell Innerrhoden vorgeschlagen, den Wegfall einer Busspur für das Anbringen einer Baumallee zwischen Broderbrunnen und Schibenertor zu nutzen.

Bild: Tagblatt St. Gallen, Michel Canonica

Bild: Tagblatt St. Gallen, Michel Canonica

Die Grünen reagieren als Erste

Mit Genugtuung und Freude nehmen die Grünen der Stadt St.Gallen das konkrete Projekt des Heimatschutzes zur Aufwertung des westlichen Bereichs des ehemaligen Stadtgrabens zur Kenntnis, wie es in einer Mitteilung der Partei heisst. Sie setze sich schon seit Jahren für die Wiedergewinnung dieser Zone als lebensfreundlichem Grünraum ein. Die Grünen gingen mit dem Heimatschutz einig, wonach ein zusammenhängender Baumbestand, ein «Baumboulevard» entlang des Oberen Grabens, nicht nur der ästhetisch-atmosphärischen Aufwertung der gesamten westlichen Altstadt diene, sondern in der Zeit des Klimawandels und des Artenverlusts einen dringend nötigen Beitrag zur Verbesserung des Stadtklimas und zur Biodiversität leiste, schreiben sie. Die Grünen nehmen gemäss Communiqué auch erfreut zur Kenntnis, dass das vom Heimatschutz aufwendig erarbeitete Projekt von der Baudirektion grundsätzlich positiv aufgenommen wurde. Für die Fraktion habe das Thema weiterhin hohe Priorität. Sie werde sich auf parlamentarischer Ebene für eine schnelle Konkretisierung einsetzen.

Auch GLP und SP stehen dahinter

Die Idee des Heimatschutzes komme genau zum richtigen Zeitpunkt, sagt Marcel Baur, der für die Grünliberalen im Stadtparlament politisiert. «Wir sind sehr dafür», sagt er. Der Vorschlag mit der Pflanzung von 90 Bäumen passe hervorragend zum Umweltkonzept der Stadt und den Klimazielen.

Auch bei der Fraktion von SP, Juso und Politischer Frauengruppe (PFG) kommt der Vorschlag des Heimatschutzes gut an, wie Peter Olibet, Präsident der SP der Stadt St.Gallen, sagt. Dass Verkehrsflächen durch Grünzonen ersetzt würden, sei ganz im Sinne der grössten Fraktion. Auch der Zeitpunkt sei richtig, sagt Stadtparlamentarier Olibet. Jetzt, wo die St.-Leonhard-Strasse erneuert und umgestaltet werde, sei der Moment da, über eine Reparatur des alten Stadtgrabens nachzudenken. Wie die Grünen betonen, sind die ehemaligen Stadtgräben um die Altstadt durch das Grabenstatut aus dem Jahre 1929 rechtsgültig geschützt.

Anzahl Bäume ist für CVP sekundär

Die CVP/EVP-Fraktion findet die Heimatschutzidee «grundsätzlich gut», wie Stadtparlamentarier Ivo Liechti (CVP) auf Anfrage sagt. Er ist Mitglied der Liegenschaften- und Baukommission (LBK). Wie viele Bäume dereinst gepflanzt werden, sei für die CVP zum jetzigen Zeitpunkt nicht prioritär. Den Christlichdemokraten gehe es viel mehr darum, dass eine nachhaltige Lösung gefunden werde. Eine, die einen reibungslosen Verkehrsfluss zulasse und die heutigen Zufahrten offenlasse. Es dürfe nicht sein, dass bei verändertem Mobilitätsangebot beispielsweise mit einem Tram wieder ganze Baumreihen weichen müssten, sagt der diplomierte Raumplaner.

FDP ist skeptisch, SVP ist dagegen

Die FDP der Stadt St.Gallen steht dem Vorstoss des Heimatschutzes skeptisch gegenüber, wie ihr Präsident und Stadtparlamentarier Oskar Seger sagt. Er findet, die Idee sei «speziell» und dürfe keine Priorität geniessen. Der Stadtrat und die Verwaltung hätten derzeit andere Dinge, die sie beschäftigten. Seger denkt dabei ans Corona-Massnahmenpaket. Bei der SVP hat man keine Freude. "Bäume entlang von Strassen sind keine gute Lösung", sagt SVP-Präsident Donat Kuratli, der auch Mitglied des Stadtparlaments ist. Verkehrsflächen müssten erhalten bleiben. Eine grüne Lunge sei für eine Stadt wichtig, sagt Kuratli, der ausgebildeter Forstwart ist. Oder etwas zugespitzt: Bäume gehörten in einen Park. Für ihn sei ein schlechtes Beispiel, was gegenwärtig an der Teufener Strasse im Riethüsli umgesetzt werde. Auf dem ehemaligen Trassee der Appenzeller Bahnen (AB) würden unnötigerweise Grünflächen geschaffen.

Baudirektion weiss schon lange von der Idee

Stadträtin Maria Pappa, Vorsteherin der Direktion Planung und Bau, weiss nicht erst seit vergangener Woche von der Idee des Heimatschutzes, wie sie sagt. Der Stadtrat sei grundsätzlich daran interessiert, die Idee in die umfassende Planung zur Neugestaltung der St. Leonhard-Strasse aufzunehmen. Allerdings betreffe die Idee die dritte und vierte Etappe. Die erste Etappe im Abschnitt von der Lavater- bis zur Gäbrisstrasse wurde soeben abgeschlossen. Die zweite Etappe betrifft den Abschnitt von der Hauptpost bis zum «Tibits». Gemäss Pappa ist die Planung weit fortgeschritten, das Geschäft komme bald ins Parlament.

Verwaltung schaut den ganzen Knoten an

Die Idee des Heimatschutzes mit dem Baumboulevard betrifft gemäss Pappa vor allen Dingen die dritte und vierte Etappe, vom "Tibits" beim Kornhausplatz bis zum Broderbrunnen und von dort bis zum Schibenertor. Die Direktion Planung und Bau ziehe diesen gesamten Verkehrsknoten in ihre Überlegungen ein: Wo fahren die Busse durch, wie können die Autos und wie soll der Langsamverkehrs geführt werden, wo sollen Grünflächen entstehen? Maria Pappa spricht von einem aufwendigen und komplexen Planungsprozess. Sie erwähnt dabei auch die neue Publikumsbibliothek von Kanton und Stadt, die im Uniongebäude untergebracht wird. Die Aussengestaltung der «Union» dürfe nicht losgelöst von der Neugestaltung der St.-Leonhard-Strasse und des Oberen Graben betrachtet werden. Und Pappa sagt: «Das Ganze braucht diverse verkehrliche Untersuchungen und deshalb noch Zeit.»

Die 130-Millionen-Bibliothek spielt eine wichtige Rolle

Kanton und Stadt St.Gallen planen zusammen mit der Eigentümerin Helvetia Versicherungen im Haus Union, das in den 1950er-Jahren gebaut wurde, eine neue Bibliothek. Wesentlich für das Bauvorhaben ist die Leitidee einer offenen und integrierenden Bibliothek für die ganze Bevölkerung, wie es auf der Website des Amts für Kultur heisst. Etwa gleichzeitig mit dem Coronalockdown im März lancierten die drei Partner einen Architekturwettbewerb im selektiven Verfahren. In einem Qualifikationsverfahren wurden in einem ersten Schritt rund 25 Teams für die Teilnahme am Wettbewerb ausgewählt.

In der «Union» soll 2028 die neue Publikumsbibliothek eröffnen.Bild: St. Galler Tagblatt, Nik Roth

In der «Union» soll 2028 die neue Publikumsbibliothek eröffnen.

Bild: St. Galler Tagblatt, Nik Roth

Bis Mitte 2021 liegen die Wettbewerbsergebnisse vor, wie das Amt für Kultur online mitteilt. Voraussichtlich 2023 entscheiden Kantonsrat und Stadtparlament über die Vorlage. Das letzte Wort haben die Stimmberechtigten von Kanton und Stadt St. Gallen voraussichtlich im Jahr 2024. Die neue Bibliothek soll nach heutiger Planung 2028 eröffnet werden. Kanton und Stadt rechnen aktuell mit Kosten von 129 Millionen Franken.

Mit dem Abschluss des Architekturwettbewerbs werden die Kosten konkretisiert, wie es heisst. Mit Angeboten für Kinder, Jugendliche und Erwachsene, verschiedene Berufs- und soziale Gruppen soll sie zum Aufenthalts- und Begegnungsort werden, der die Bewohnerinnen und Bewohner der Stadt und diejenigen des ganzen Kantons bei einem Stadtbesuch anzieht. Mit einem Café sowie Öffnungszeiten am Abend und an Sonntagen wird die Bibliothek die Innenstadt beleben.

Vor fünf Jahren hat die Bibliothek Hauptpost ihren Betrieb am Bahnhof St.Gallen aufgenommen. Dabei handelt es sich um ein Provisorium. Die Kantons- und die Stadtbibliothek sind weiterhin auf vier Standorte in der Kantonshauptstadt verteilt. Im kantonalen Bibliotheksgesetz ist die Realisierung der neuen Bibliothek vorgesehen.